Einführung in das griechische Erbrecht
A. Internationales Erbrecht
In erbrechtlichen Fällen mit Auslandsberührung ist das
internationale Erbrecht, als Teil des IPR heranzuziehen, um das
anwendbare materielle Recht zu ermitteln. Um aus griechischer Sicht
das materiell anwendbare Recht zu bestimmen ist das griechische
Internationale Erbrecht heranzuziehen.
1. Das Erbstatut
Das internationale Erbrecht des griechischen Zivilgesetzbuches (im
folgenden: grZGB) beruht auf dem Prinzip der Nachlasseinheit.
Umfasst werden hiervon auch die Rechte an Immobilien.
Angeknüpft wird für alle erbrechtlichen Angelegenheiten an das Recht
der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes
(Art. 28 grZGB). Diese Kollisionsnorm gilt sowohl für
Griechen, die im Ausland beerbt werden, als auch für Ausländer (z.
B. Deutsche), die in Griechenland beerbt werden.
Probleme ergeben sich oft bei doppelter Staatsangehörigkeit.
Sofern der Erblasser neben der griechischen auch eine weitere
Staatsangehörigkeit besitzt, richten sich die erbrechtlichen
Angelegenheiten nach griechischem Recht (Art. 31, Art. 28 grZGBG).
Bei mehrfacher ausländischer Staatsangehörigkeit des Erblassers wird
das Recht des Staates angewendet, mit welchem der Erblasser zum
Zeitpunkt seines Todes die engste Verbindung hatte.
Berücksichtigt werden in diesem Fall der Wohnsitz, der Ort der
Berufsausübung, die Sprache etc. Bei einem staatenlosen
Erblasser, gilt aufgrund des Art. 30 grZGB als Ersatzstatut des
Recht seines Wohnsitzes, hilfsweise das Recht seines
Aufenthaltsortes. Eine Ausnahme gilt für eine in Thrakien
lebende Minderheit griechischer Staatsangehörigkeit, die sich aber
als türkischer Nationalität betrachtet und moslemischen Glaubens
ist. In diesem Fall richtet sich das Erbstatut aufgrund einer
Reihe von Staatsverträgen zwischen Griechenland und Türkei nicht
nach Art. 28 grZGB (Anknüpfung an das Heimatrecht), sondern nach dem
Heiligen Gesetz der Moslems.
Sämtliche Voraussetzungen der Erbfolge werden nach dem Heimatrecht
des Erblassers beurteilt. Nach dem Heimatrecht werden u.a. der
Grund und die Zeit des Erbfalls, die Berufungsgründe, die
Erbfähigkeit, die Erbunwürdigkeit, die gesetzliche Erbfolge, das
Pflichtteilsrecht, die Erbenhaftung, der Erwerb und die Ausschlagung
der Erbschaft und die Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft
beurteilt.
Obwohl für den Erwerb der Erbschaft das Heimatrecht ausschlaggebend
ist, ist für den Eigentumserwerb an den einzelnen
Nachlassgegenständen die lex rei sitae, also das Recht des Ortes, an
dem sich eine Sache aktuell und physisch befindet, massgeblich.
So wird ein Deutscher zwar nach deutschem Recht beerbt (§ 1942 BGB).
Die Erbfolge wird somit nach deutschem Recht bestimmt. Wenn
zum Nachlass ein in Grundstück in Griechenland gehört, muss die
Erbschaftsannahme nach griechischem Recht erfolgen und die
Formerfordernisse des Art. 1193 grZGB erfüllt werden. Dagegen
gilt nach herrschender Meinung bei der Ausschlagung der Erbschaft
der Grundsatz des locus regit actum, d.h. ob eine Ausschlagung
wirksam ist oder nicht, richtet sich auch nach griechischem Recht
(Art. 11 grZGB) nach dem Recht des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft
vollzogen wurde, bzw. die Ausschlagung stattgefunden hat. So
kann ein Deutscher die Erbschaft, die ein Grundstück in Griechenland
umfasst, wirksam in Deutschland ausschlagen.
Die Frage, ob
ein Testament formwirksam ist, beantwortet nach griechischem IPR
Art. 11 grZGB. Hiernach ist ein Testament gültig, wenn es
entweder die Formerfordernisse des Heimatrechts des Erblassers zum
Zeitpunkt seines Todes, oder die Formerfordernisse des Rechtes des
Ortes, an dem das Testament errichtet wurde, erfüllt.
Gemäß Art.
1717 grZGBG ist das gemeinschaftliche Testament nichtig. Nach
herrschender Meinung erstreckt sich das Verbot nicht nur auf die
Form des Testamentes, sondern auch auf den Inhalt (s. Urteil des
Obersten Gerichtshofs „Areopag“ Nr. 714/2003). Insofern ist
auch ein durch einen Griechen in Deutschland errichtetes
gemeinschaftliches Testament nichtig (Art. 28 i.V.m. Art. 1717, 174
grZGB).
Die
Testierfähigkeit wird gem. Art. 7 grZGB nach dem Heimatrecht des
Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments beurteilt.
Der Testamentsinhalt richtet sich nach dem Erbstatut, allerdings
entscheidet sich die Anfechtung wegen Willensmängeln nach dem
Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des
Testamentes. Ob ein Widerruf vorliegt, entscheidet sich nach
dem Erbstatut. Die Form des Widerrufs richtet sicht nach Art.
11 grZGB.
Sämtliche an
sich nach griechischem IPR anwendbare ausländische Vorschriften
müssen jedoch mit dem griechischen ordre public vereinbar sein,
sonst werden sie von griechischen Gerichten nicht angewendet.
Ausländisches Recht, das das Pflichtteils-recht nicht kennt, gilt
als vereinbar mit dem griechischen ordre public. Dagegen gilt
der Erbvertrag als Berufungsgrund sowie der Erbverzichtsvertrag als
unvereinbar mit den in Griechenland herrschenden Wertvorstellungen.
2. Internationale Zuständigkeit griechischer Gerichte
Griechische
Gerichte sind nur dann international zuständig, über Erbfälle der
freiwilligen oder streitigen Gerichtsbarkeit zu urteilen, wenn sich
die örtliche Zuständigkeit eines griechischen Gerichtes begründet.
In Bezug auf
erbrechtliche Streitigkeit ist gem. Art. 30 des griechischen
Zivilprozessgesetzes (im folgenden „grZPG“) der Gerichtsstand der
Erbschaft maßgebend. Dieser ist identlsch mit dem allgemeinen
Gerichtsstand des Erblassers (unabhängig ob Grieche, oder Ausländer)
zum Zeitpunkt seines Todes.
Gemäß Art. 810 grZPG wird ein besonderer zusätzlicher Gerichtsstand
eingeführt: in Nachlasssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.
B. Bestellung eines Nachlasspflegers u.a.) sind die griechischen
Gerichte, wenn der Erblasser Grieche war, international zuständig.
Wenn der Erblasser Ausländer war, sind die griechischen Gerichte nur
zuständig, wenn dieser seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort in
Griechenland hatte, oder wenn der Nachlass Gegenstände in
Griechenland (Immobilien, Bankguthaben) umfasst.
Eva Kiorpelidou, LL.M.
Rechtsanwältin und Dikigoros